Logo HAUM Freundeskreis HAUM Header4
Linie

Großes Kino in einem Bild - Bildbetrachtung de Momper, 2.4.19

Bildbetrachtung oder die Kunst des Sehens

Eine Sehschule besonderer Art bieten die Museumsfreunde einmal monatlich ihren Mitgliedern an. Mit Enthusiasmus und vielseitigem Hintergrundwissen bringt Lidia Kubitza-Bach, ehemalige Mitarbeiterin in der Gemäldegalerie, ehrenamtlich einem Dutzend Kunsteleven interaktiv das präzise Sehen eines Gemäldes nahe. Bereits bei der amüsanten Begrüßung im Foyer schafft sie es ihre Adepten zu einer sich gegenseitig beflügelnden Gemeinschaft zu vereinen, für neunzig Minuten informativer und unterhaltsamer Sehmomente.

Diesmal geht es um das Frühlingsbild aus dem im HAUM befindlichen Jahreszeitenzyklus des flämischen Landschaftsmalers Joos (Jodocus) de Momper (1564 in Antwerpen geboren und dort auch 1635 gestorben). Grob skizziert würde man das Bild so beschreiben: Eingerahmt von Bäumen sticht zunächst viel Landschaft ins Auge. Unter einem eher wolkig grauen Himmel aus dem dennoch Licht auf einzelne Szenen fällt, liegt mittig das den Winter über in den Hausmanufakturen gewebte Leinen auf einem großen Anger zur Bleiche - oder nach anderer Ansicht ist dort die große Wäsche ausgelegt (Frühjahrsputz!). Darüber thront rechts seitlich eine große Stadt nebst Kathedrale. Ein Schloss mit Spalierlaube und soeben im Entstehen befindlichen Barockgarten blickt auf ein höchst belebtes Gewässer.

Links unten eine eher dörfliche und bäuerliche Szene, die deutlich erkennbar eine andere Handschrift zeigt. Sie ist von Jan Breughel dem Älteren, dem ältesten Sohn von Pieter Breughel, bekannt als „Bauernbreughel“. Jan Breughel arbeitete gelegentlich mit seinem Freund Momper zusammen, denn dieser war ein Meister von Gebirgs- und Seenlandschaften und hatte es nicht so mit der Personenmalerei. Er wurde dafür gut bezahlt (Von ihm dokumentiert 40 Florin, ein Dorf gab es schon für 1000 Florin). Wie wertvoll muss dann erst der ganze Zyklus gewesen sein, der wohl bei einem reichen Kaufmann, bzw. einem städtischen Patrizier als Raumdekoration an der Wand hing und belehrend den von Gott wohl geordneten Kosmos versinnbildlichte?

Die Natur im Frühling erscheint eingebunden in das tägliche Leben von Menschen und Haustieren. Da wird Frühlingsarbeit geleistet: Das Haus ausgebessert bzw. umgebaut, ein Karren steht hoch beladen mit Tuchballen, Kühe grasen am Ufer, ein Schwein führt seine frisch geworfenen Ferkel spazieren und Bettelmönche (Dominikaner, weiße Kutte) bitten um eine Gabe.

Momper malte nicht in humanistischer Bildungstradition – obwohl er ab seinem 17. Lebensjahr mit Unterbrechungen zehn Jahre in Rom war - sondern die Umstände in denen die Menschen in seiner Heimat lebten. Kein Detail blieb von den Sehschülern unter strenger Anleitung unbeachtet und unkommentiert. Jede Einzelheit führte zu einem großartigen Exkurs der Mentorin und das locker präsentiert. Sie ließ die Darstellung sprechen, die Figuren leben.

Momper wurde bereits mit 17 Jahren in Antwerpen als Maler in die St. Lucasgilde eingetragen sein Maler- und Kunsthändler-Vater war Vorstand derselben. Mit 47 hat auch er dort den Vorsitz übernommen. Momper gilt als Vertreter der sogenannten manieristischen Landschaftsmalerei. Typisch für ihn ist hier seine Sicht auf das Motiv, er blickt von oben in seine Landschaft, ein weiträumiges Panorama, für das er einen hohen Augenpunkt wählt. Zugleich zieht er den Betrachter in das Bild hinein.

Auch das allegorische memento mori fehlt natürlich nicht. Denn als Joos de Momper sein friedliches Frühlingsbild malte, war seine Heimat Flandern seit 1568 kriegsgebeutelt, Schauplatz der 80jährigen Auseinandersetzungen zwischen dem katholischen Spanien und den aufständischen Protestanten,( ab 1618 tobte in Deutschland der dreißigjährige Krieg) auch die Pest suchte immer wieder die Menschen heim. Fünfzehn große Epidemien gab es (besonders verheerend im 14. Jahrhundert), in dieser nicht nur dadurch traumatisierten Epoche, in der das bislang bekannte Weltgefüge in mancher Hinsicht ins Wanken geriet.

Text: Eva-Maria Dennhardt